Fünf wichtige Data Strategy Schritte auf dem Weg zur digitalen Business Transformation

Oliver Schiffers am 21. August 2019 um 12:03

Einer der Haupttreiber in der digitalen Business Transformation von Unternehmen ist die Datenstrategie. Wurde diese in der Vergangenheit durch rasante Entwicklungen in den Bereichen Data-driven Business und Data Economy beeinflusst, steht heute ganz klar der Kundennutzen im Vordergrund. 

Das Geschäft ändert sich rasant. Setzten vor allem Marketer bis vor einigen Jahren Daten fast ausschließlich ein, um im Media-Umfeld Optimierungs- und Effizienzpotenziale mit eher taktischer Reichweite zu realisieren, ging es dabei nie um wirkliches Wachstum. Entscheider beginnen aber endlich zu erkennen, was wirklich zählt: die Beziehung zum Kunden. Sie ist das wichtigste Gut von Unternehmen. Vor diesem Paradigmenwechsel treten Themen wie Daten-Monetarisierung und Targeting in den Hintergrund strategischer Ãœberlegungen. Ebenso wird der Irrglaube zweitrangig, sich auf der Suche nach der „Next Best Action“ durch Algorithmen und Machine Learning einen Vorteil oder gar Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Mitbewerbern verschaffen zu können. 

Die neue Zielgröße im Einsatz und in der Analyse von Daten lautet demnach Kundenzentrierung. Eine vollständige und umfassende Datenstrategie muss gleichermaßen sowohl exponentielle Steigerungs- als auch Optimierungspotenziale bieten – ganz im Sinne einer digitalen Business Transformation. Sie sollte Methoden, Kunden- und Geschäftsvorteile berücksichtigen, anstatt sich allein durch Technologien und Tools dominieren zu lassen. Verantwortliche, die sich an folgenden fünf Schritten orientieren, punkten dabei nachhaltig: 

1. Liquide Datenstrukturen schaffen

Es gilt, den im Unternehmen bereits vorhandenen Datenbestand liquide zu machen: das heißt, durch die Nutzbarmachung spezifischer Informationen in den Daten sollen Kundenbedürfnisse adressiert, die User Experience personalisiert und neue digitale Produkte und Services entwickelt werden. Um auf diese Weise echte Geschäftsvorteile zu generieren, sind immer unternehmens- und kundenspezifische Metadaten notwendig. Diese beschreiben das Verhalten und die Anforderungen der Kunden oder die eigenen Produkte möglichst genau und gehen über die typische Datenbreite hinaus, die von Wettbewerbern oder Standardlösungen erhoben wird. Für sinnvolle und alleinstellende Ergebnisse sind Data Scientists auf diese Metadaten angewiesen. Häufig werden sie jedoch in der Datenkollektion vernachlässigt. In der Folge fehlen Daten für die Orchestrierung der digitalen Kundenkontakte über alle Tools und Kanäle hinweg. Eine einmalige oder punktuelle Anreicherung reicht hier nicht aus. Vielmehr gilt es, systematisch und strukturell die Datenkollektion zu überprüfen und optimieren.

2. Data-driven als Kultur und Prozess verstehen

Eine datengetriebene Unternehmenskultur und die damit verbundenen Geschäftsvorteile setzen grundlegende Änderungen in allen Unternehmensbereichen voraus. Diese gilt es schrittweise anzugehen und sie betreffen alle Prozesse, Vorgehensweisen und Entscheidungsfindungen entlang der digitalen Customer Journey. Nur wenn Entscheider experimentieren können, die richtigen Fragestellungen formulieren, Hypothesen aufstellen sowie jeweils gewonnene Learnings sauber einbinden und demonstrieren, gelingt der Wandel zur datengetriebenen Kultur. Bereits in diesem Stadium muss sich die Denkweise aller am Prozess Beteiligten in Richtung Kundennutzen drehen. 

3. Zum Herr über die eigenen Daten werden

Grundlage für eine erfolgreiche Datenstrategie ist ein Umdenken im Management von Tool-Anbietern, Agenturen und Dienstleistern: Daten und Metadaten müssen sich vollständig in Unternehmens-Hoheit befinden. Denn: Oft nimmt durch den Einsatz von Standard-Lösungen oder durch Agenturen, die für Unternehmen die Datenerhebung vornehmen, die Datenqualität aufgrund von Privacy-Bedenken und sinkendem Vertrauen der Nutzer bedenklich ab. Zudem ist die Breite und Tiefe der zugrundeliegenden Daten oft durch die Standardfunktionalitäten der eingesetzten Lösungen determiniert. Dies hindert Unternehmen daran, zusätzliche Aktivitäten zur Verbesserung der eigenen Datenqualität durchzuführen. Sammeln und analysieren Marketing- und Vertriebsabteilungen hingegen – ganz im Sinne des Data-Ownerships – Daten und Metadaten künftig selbst, entstehen Geschäftsvorteile, die nicht durch die Best Practices und Use Cases der großen Anbieter definiert und gleichzeitig limitiert sind. Es entsteht vielmehr ein komplett originäres digitales Geschäftsmodell, das auf den eigenen Daten und tiefen Nutzer-Beziehungen aufbaut.

4. Geben und nehmen: Vertrauen und Customer Value Exchange

Für die höchstmögliche Datentiefe und -breite reicht es bezüglich der Privacy nicht aus, nur vorschriftsmäßig zu handeln. Unternehmen müssen individuelle Privacy-Konzepte erarbeiten und online klare Beweise für den Kundennutzen liefern und kommunizieren. Im Einzelfall bietet es sich für Unternehmen an, Kunden für ihre Daten zu vergüten. Und dabei transparent zu kommunizieren, wie und wofür ihre Daten genutzt werden. 

Langfristigen Erfolg verspricht nur ein sauberer Austausch von erhobenen Kundendaten für tatsächliche Problemlösungen der Kunden sowie eine verbesserte Customer Experience. Das ist gleichzeitig grundlegend für Entscheider im Unternehmen, wenn diese auf den Customer (Lifetime) Value fokussieren und umfassende eigene digitale Geschäftsmodelle entwickeln wollen. 

5. Digitale Ecosysteme aufbauen

Eine nachhaltige digitale Business Transformation erfordert immer Methoden, um das eigene Geschäftsmodell langfristig wettbewerbsfähig zu halten und es gegen Nachahmer und Mitbewerber abzusichern. Oftmals basieren entsprechende Ansätze digitaler Geschäftsstrategien allerdings ausschließlich auf reinen Skaleneffekten oder dem Aufbau einer eigenen Plattform-Ökonomie – ein meist unrealistisches und immer teures Unterfangen. Entwickeln Unternehmen aber digitale Produkte und Services, kann dadurch eine erste Stufe zum Schutz des Geschäftsmodells erreicht werden. Im nächsten Schritt sollte der Aufbau eines digitalen Ecosystems erfolgen, in das die Produkte und Services integriert werden. Das Ecosystem sollte gleichberechtigte Partner und Drittanbieter einbinden, die untereinander kooperieren und Daten sowie Algorithmen ihrer Services austauschen. Dies ermöglicht es allen Beteiligten, neue und aufeinander aufbauende digitale Produkte zu entwickeln. Ergänzende Algorithmen, die Weitergabe individuellen Wissens und gemeinsame augmentierte Modelle von Analysen und Entscheidungen führen zu höchstmöglichem Kundennutzen. Dieser Mehrwert gewährleistet die Einzigartigkeit des neuen digitalen Geschäftsmodells, das auf dem Ecosystem basiert.

Eine innovative Datenstrategie ist nicht mehr effizienzgetrieben, sondern verfolgt das Ziel, Alleinstellungsmerkmale und neue, nachhaltige digitale Geschäftsmodelle zu generieren. Der Weg dorthin erfordert individuelle Lösungen sowie ein Umdenken, das den Kundennutzen prominent in die gesamte Vorgehensweise einschließt.

Zweitveröffentlichung

new business interview

Oliver Schiffers am 1. November 2013 um 18:43

Im Internet sammeln sich riesige Datenmengen an. Halten Sie diese mit dem Schlagwort Big Data bezeichnete Entwicklung für das Planen und Umsetzen von Marktforschungs- und Marketingmaßnahmen grundsätzlich eher für einen Fluch oder einen Segen – und warum?

Da fragen Sie den Richtigen – Ein Segen! – wenn man sich auf einer gesunden Basis von Erfahrung und Innovation und zu einem definierten Ziel damit beschäftigt. Diese Datenmengen sammeln sich ja nicht erst seit Einführung des Modeworts Big Data, Digital Analytics ist eine seit 15 Jahren etablierte Disziplin. (Das sieht in Deutschland in Teilen noch anders aus, aber auch hier ist eine stetige Entwicklung zu beobachten). Ohne zu weit vorgreifen zu wollen, können mit ausgereiften Methoden, Technologien, Teams -und vor allen Dingen einem Nutzenansatz für Marken und Menschen- erhebliche Geschäftsvorteile erzielt werden, die sich nicht nur kurzfristig auszahlen. Eine halbherzige oder nur performance-orientierte Vorgehensweise bringt jedoch nicht den gleichen Erfolg. Ebenso führen die falschen Methoden gerade wegen der Menge der Daten und der teilweise für unseren Markt uneinlösbaren Verheißungen von Big Data eher zu einer Schockstarre im Bezug auf die Ergebnisse und sogar den tatsächlichen Zweck der Datennutzung.

Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen konkret mit Big Data um, wie sichten, sortieren und nutzen Sie die vielen Informationen?

Wir verwenden eine Mischung aus Eigenentwicklungen und Best-of-Breed Lösungen. Wie oben bereits angedeutet, die Nutzung von Daten im digitalen Marketing ist kein Neuland. Es stehen ausgereifte und spezialisierte Lösungen zur Verfügung, die wichtige Stationen des Reporting, der Analyse und Optimierung abdecken. Im Bereich Datenerhebung und Visualisierung sind teilweise ebenso Eigenentwicklungen notwendig, wie in der Zusammenführung von Nutzungsdaten aus verschiedenen Kanälen. Hier sind wir bereits beim weiter unten noch einmal angesprochenen Thema Disziplin bei der Zusammenführung, um tatsächlich sicherzustellen, dass die Effekte eines Kanals auf den anderen wirklich detailliert und nicht nur punktuell verstanden werden.

Was den menschlichen Anteil der Nutzung und Aufbereitung dieser Informationen angeht, haben wir festgestellt dass ein gemischtes Team das größte Potential bietet. Analysten verstehen oft den Angang und den speziellen Markt nicht gut genug, Fachanwender die Daten und die User Experience zu wenig, UE-Experten und Informationsarchitekten die Feinheiten des Business und ebenso die Datenstruktur nur in Teilen. Ein Team aus allen drei Bestandteilen ist am ehesten in der Lage einen geschlossenen Kreislauf von Verständnis und Optimierungsmaßnahmen abzudecken.

Für Unternehmen können große Datenpools einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Doch wie schöpft man das Potenzial am besten aus, welche Herausforderungen warten auf dem noch unbekanntem Terrain?

Die größten Herausforderungen liegen sicherlich nicht in der Technik sondern in den weiter unten diskutierten Aspekten von Vertrauen, Wandel im digitalen Marketing und beidseitigem Nutzen. Was die Technik angeht sind wir sicherlich sehr weit, dennoch klafft die Schere zwischen deskriptiven Daten zu Reporting und manuelle Optimierung und unstrukturierten Daten noch zu weit auseinander. Von Letzterem geht wahrscheinlich im Zuge des Modewortes für das digitale Marketing ein nicht einlösbares Versprechen aus. Viele Ansätze zur Nutzung von Daten über das digitale Marketing leben von Struktur und einer gewissen Disziplin bei Datensammlung und Datenauszeichnung z.B. bei der Entwicklung von digitalen Angeboten. Eine Herausforderung ist auch, dieses Bewusstsein zu erhalten, und je nach Fragestellung und Ansatz die richtige Vorgehensweise zu wählen.

Bemängelt wird von manchen, dass die Auswertung von Daten oft sehr technisch ablaufe und zu wenig auf Hintergründe, Besonderheiten und Zusammenhänge achte. Man fokussiere sich zu sehr auf die Daten und berücksichtige zu wenig die Menschen dahinter. Wie stehen Sie dazu?

Es sollten nicht nur Daten über die Nutzer gesammelt werden, sondern für die Nutzer. Ich denke die gesamte digitale Marketingwelt bewegt sich weg von Botschaften und Aufforderungen und hin zu Geschichten, Serviceangeboten und neuen Möglichkeiten für die Menschen, die diesen Lebensraum gestalten. Hier wird wie in der Welt der von Marken für Menschen aufgebauten Brand Sites und Experiences ein größeres Augenmerk auf Optimierung der Nutzung und des Engagements gelegt werden müssen. Ein einseitiger Fokus auf direkt messbare singuläre Effekte ist nicht mehr ausreichend, um die Wirkung zu beschreiben und ihren Erfolg zu bewerten.

Wer hat Ihre Meinung nach die Nase vorn im Rennen zwischen einem rein datengetriebenen Marketing und dem klassische, stark auf Erfahrungen und Emotionen setzenden Marketing?

Eine gute Mischung ist unabdingbar. Dennoch würde ich sagen, dass der CMO, der hauptsächlich auf erfahrungsbasiertes Marketing setzt, gegenüber einem Ansatz der experimentiert, justiert und sich anhand von datengestützten Erfolgsbewertungen ständig verbessert, den Kürzeren ziehen wird. Auch hierbei sind mir zwei Dinge wichtig – Teile der Daten die hierzu notwendig sind, können und sollen auch qualitativ sein und die Erfahrungen der Menschen miteinbeziehen. Eine langfristige Betrachtung der Wirkung ist notwendig, um den datengetriebenen Ansatz wirklich sinnvoll einzusetzen. Ein Fokus auf Klicks, Conversions, Likes ist gegenüber einem Fokus auf Kundenzufriedenheit und Customer Lifetime Value deutlich zu kurz gegriffen.

Das Thema Big Data begleiten immer wieder auch datenschutzrechtlichen Bedenken. Wie sollte der Umgang mit Daten gestaltet werden, um Regulierungsbestrebungen den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Die offene Kommunikation des oben beschriebenen Dateneinsatz auch für die Nutzer ist ein wichtiger Aspekt. Obwohl sich einwenden ließe, das dies bereits geschieht und nicht von allzu hohem Interesse oder Verständnis für die meisten Menschen ist. Auf der anderen Seite muss ich hier gegenfragen: Warum sollte den Regulierungsbestrebungen der Wind aus den Segeln genommen werden, warum sollten wir immer neue Schlupflöcher suchen?  Stattdessen sollten unseren Angeboten und Ihrer Verbesserung ein Rahmen gegeben werden, der aufrichtig und guten Gewissens kommuniziert werden kann und sollte um auch auf dieser Ebene eine beidseitige Zufriedenheit und uneingeschränkte Vertrauen anzubieten. Für die Marke, und den Kunden unserer Kunden kann das nur von Vorteil sein, wer sich darauf (noch) nicht einlässt, veschläft wohl zwei Entwicklungen unserer Branche auf einmal.