new business interview

Im Internet sammeln sich riesige Datenmengen an. Halten Sie diese mit dem Schlagwort Big Data bezeichnete Entwicklung für das Planen und Umsetzen von Marktforschungs- und Marketingmaßnahmen grundsätzlich eher für einen Fluch oder einen Segen – und warum?

Da fragen Sie den Richtigen – Ein Segen! – wenn man sich auf einer gesunden Basis von Erfahrung und Innovation und zu einem definierten Ziel damit beschäftigt. Diese Datenmengen sammeln sich ja nicht erst seit Einführung des Modeworts Big Data, Digital Analytics ist eine seit 15 Jahren etablierte Disziplin. (Das sieht in Deutschland in Teilen noch anders aus, aber auch hier ist eine stetige Entwicklung zu beobachten). Ohne zu weit vorgreifen zu wollen, können mit ausgereiften Methoden, Technologien, Teams -und vor allen Dingen einem Nutzenansatz für Marken und Menschen- erhebliche Geschäftsvorteile erzielt werden, die sich nicht nur kurzfristig auszahlen. Eine halbherzige oder nur performance-orientierte Vorgehensweise bringt jedoch nicht den gleichen Erfolg. Ebenso führen die falschen Methoden gerade wegen der Menge der Daten und der teilweise für unseren Markt uneinlösbaren Verheißungen von Big Data eher zu einer Schockstarre im Bezug auf die Ergebnisse und sogar den tatsächlichen Zweck der Datennutzung.

Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen konkret mit Big Data um, wie sichten, sortieren und nutzen Sie die vielen Informationen?

Wir verwenden eine Mischung aus Eigenentwicklungen und Best-of-Breed Lösungen. Wie oben bereits angedeutet, die Nutzung von Daten im digitalen Marketing ist kein Neuland. Es stehen ausgereifte und spezialisierte Lösungen zur Verfügung, die wichtige Stationen des Reporting, der Analyse und Optimierung abdecken. Im Bereich Datenerhebung und Visualisierung sind teilweise ebenso Eigenentwicklungen notwendig, wie in der Zusammenführung von Nutzungsdaten aus verschiedenen Kanälen. Hier sind wir bereits beim weiter unten noch einmal angesprochenen Thema Disziplin bei der Zusammenführung, um tatsächlich sicherzustellen, dass die Effekte eines Kanals auf den anderen wirklich detailliert und nicht nur punktuell verstanden werden.

Was den menschlichen Anteil der Nutzung und Aufbereitung dieser Informationen angeht, haben wir festgestellt dass ein gemischtes Team das größte Potential bietet. Analysten verstehen oft den Angang und den speziellen Markt nicht gut genug, Fachanwender die Daten und die User Experience zu wenig, UE-Experten und Informationsarchitekten die Feinheiten des Business und ebenso die Datenstruktur nur in Teilen. Ein Team aus allen drei Bestandteilen ist am ehesten in der Lage einen geschlossenen Kreislauf von Verständnis und Optimierungsmaßnahmen abzudecken.

Für Unternehmen können große Datenpools einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Doch wie schöpft man das Potenzial am besten aus, welche Herausforderungen warten auf dem noch unbekanntem Terrain?

Die größten Herausforderungen liegen sicherlich nicht in der Technik sondern in den weiter unten diskutierten Aspekten von Vertrauen, Wandel im digitalen Marketing und beidseitigem Nutzen. Was die Technik angeht sind wir sicherlich sehr weit, dennoch klafft die Schere zwischen deskriptiven Daten zu Reporting und manuelle Optimierung und unstrukturierten Daten noch zu weit auseinander. Von Letzterem geht wahrscheinlich im Zuge des Modewortes für das digitale Marketing ein nicht einlösbares Versprechen aus. Viele Ansätze zur Nutzung von Daten über das digitale Marketing leben von Struktur und einer gewissen Disziplin bei Datensammlung und Datenauszeichnung z.B. bei der Entwicklung von digitalen Angeboten. Eine Herausforderung ist auch, dieses Bewusstsein zu erhalten, und je nach Fragestellung und Ansatz die richtige Vorgehensweise zu wählen.

Bemängelt wird von manchen, dass die Auswertung von Daten oft sehr technisch ablaufe und zu wenig auf Hintergründe, Besonderheiten und Zusammenhänge achte. Man fokussiere sich zu sehr auf die Daten und berücksichtige zu wenig die Menschen dahinter. Wie stehen Sie dazu?

Es sollten nicht nur Daten über die Nutzer gesammelt werden, sondern für die Nutzer. Ich denke die gesamte digitale Marketingwelt bewegt sich weg von Botschaften und Aufforderungen und hin zu Geschichten, Serviceangeboten und neuen Möglichkeiten für die Menschen, die diesen Lebensraum gestalten. Hier wird wie in der Welt der von Marken für Menschen aufgebauten Brand Sites und Experiences ein größeres Augenmerk auf Optimierung der Nutzung und des Engagements gelegt werden müssen. Ein einseitiger Fokus auf direkt messbare singuläre Effekte ist nicht mehr ausreichend, um die Wirkung zu beschreiben und ihren Erfolg zu bewerten.

Wer hat Ihre Meinung nach die Nase vorn im Rennen zwischen einem rein datengetriebenen Marketing und dem klassische, stark auf Erfahrungen und Emotionen setzenden Marketing?

Eine gute Mischung ist unabdingbar. Dennoch würde ich sagen, dass der CMO, der hauptsächlich auf erfahrungsbasiertes Marketing setzt, gegenüber einem Ansatz der experimentiert, justiert und sich anhand von datengestützten Erfolgsbewertungen ständig verbessert, den Kürzeren ziehen wird. Auch hierbei sind mir zwei Dinge wichtig – Teile der Daten die hierzu notwendig sind, können und sollen auch qualitativ sein und die Erfahrungen der Menschen miteinbeziehen. Eine langfristige Betrachtung der Wirkung ist notwendig, um den datengetriebenen Ansatz wirklich sinnvoll einzusetzen. Ein Fokus auf Klicks, Conversions, Likes ist gegenüber einem Fokus auf Kundenzufriedenheit und Customer Lifetime Value deutlich zu kurz gegriffen.

Das Thema Big Data begleiten immer wieder auch datenschutzrechtlichen Bedenken. Wie sollte der Umgang mit Daten gestaltet werden, um Regulierungsbestrebungen den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Die offene Kommunikation des oben beschriebenen Dateneinsatz auch für die Nutzer ist ein wichtiger Aspekt. Obwohl sich einwenden ließe, das dies bereits geschieht und nicht von allzu hohem Interesse oder Verständnis für die meisten Menschen ist. Auf der anderen Seite muss ich hier gegenfragen: Warum sollte den Regulierungsbestrebungen der Wind aus den Segeln genommen werden, warum sollten wir immer neue Schlupflöcher suchen?  Stattdessen sollten unseren Angeboten und Ihrer Verbesserung ein Rahmen gegeben werden, der aufrichtig und guten Gewissens kommuniziert werden kann und sollte um auch auf dieser Ebene eine beidseitige Zufriedenheit und uneingeschränkte Vertrauen anzubieten. Für die Marke, und den Kunden unserer Kunden kann das nur von Vorteil sein, wer sich darauf (noch) nicht einlässt, veschläft wohl zwei Entwicklungen unserer Branche auf einmal.