Social Media – KPI und Analysetools Teil 2

Struktur möglicher strategischer Ziele im Social Web

Es ist aus verschiedenen Gründen notwendig, eine Definition von Kennzahlen jeweils aus strategischen Zielen von Kampagnen herzuleiten

  • Die Kennzahlen begründen in den jeweiligen Unternehmen und Agenturen die Erfolgsmessung. Wenn sich diese Messung und das Reporting nicht auf Ziele beziehen, die vorher festgelegt wurden, verblasst die Aussagekraft der Erfolgsmessung zu einem reinen Zahlenspiel, das sich an marktgängigen oder vergleichbaren Zahlen orientieren mag, aber für die Zielsetzungen des jeweiligen Unternehmens oder der jeweiligen Kampagne nicht von Bedeutung ist.
  • Optimierungen folgender Initiativen mit ähnlichen oder abgeleiteten Zielen können nur dann vorgenommen werden, wenn die Kennzahlen sich auch an den Zielen orientiert haben. Eine Verbesserung einzelner Taktiken oder Funktionalitäten von Social Media Kampagnen ist dann unmöglich, wenn die Zahlen im Bezug auf die Ziele nicht vergleichbar sind. Ist das Ziel z.B. eine Weiterleitung auf Websites des Unternehmens mit definierten Conversion Ereignissen auf diesen Websites, kann der Effekt der Veränderung von Social Media Strategien nicht gemessen werden, wenn nur Reichweiten und Profilrelevante Kennzahlen erfasst werden.
  • Die Akzeptanz von Kennzahlen und Reportings steigt in Unternehmen mit deren Orientierung an Zielen von Maßnahmen. Es ist in vielen Fällen aufwendig und schwierig diese Ziele mit den jeweiligen Verantwortlichen zu erarbeiten, da sich oft gerade eine umgekehrte Haltung zeigt: Die Ziele werden aus denjenigen Kennzahlen abgeleitet, die man überhaupt erheben kann oder die von Agenturen erhoben werden.
  • Strategien und Taktiken verschiedener Social Media Initiativen sind ebenso Neuland und im Aufbau begriffen, wie die Kennzahlen selbst. Es ist daher sinnvoll auch im Bezug auf die Taktiken bei den Zielen anzufangen und geeignete Instrumente auszuwählen und zu diskutieren, um sie zu erreichen. Wenn diese Herleitung vernachlässigt wird, begibt sich das jeweilige Unternehmen oder die Agentur  in die Gefahr, sich zu sehr auf ausgetretenen Pfaden zu bewegen, die einem etablierten Portfolio oder Best Practices entstammen, die aber nichts mehr mit dem individuellen Ansatz des jeweiligen Unternehmens zu tun haben.

Auch die generelle Unzufriedenheit von Marketing-Verantwortlichen mit Kennzahlen und Meßmethoden im Online Marketing[1] würde sich dann nicht grundlegend ändern, wenn Kennzahlen zwar einheitlich standardisiert würden, aber dann nicht in der Lage wären neue, individuelle oder abgewandelte Online-Marketing Strategien zu erfassen. Es erscheint also angebracht, das Thema der Kennzahlen zweigleisig zu betrachten: Auf der einen Seite sollten Messverfahren und Kennzahlen etablierter nationaler und internationaler Verbände dann verwendet werden, wenn die Vergleichbarkeit von Initiativen geboten ist. Es ist jedoch wenig zweckmäßig, die Verfahren dieser Institutionen dann anzuwenden, wenn gar keine Benchmarking- oder Vergleichszahlen zur Verfügung gestellt werden. Auf dem zweiten und wichtigeren Gleis sollten die Kennzahlen zu eigenen Verfahren und Initiativen immer an deren Zielen ausgerichtet sein, um die interne Erfolgsmessung und vor allen Dingen ständige Optimierung zu untermauern. Hierzu eignen sich die standardisierten Zahlen der Verbände nur dann, wenn die durch sie abgebildeten Ziele auch wenigstens Teilziele der eigenen Initiativen sind.

Ein Blick auf mögliche Ziele zur Definition von Kennzahlen und Verfahren sollte bei den bereits etablierten Modellen aus dem Bereich Web Analytics zur Erfolgsmessung von Onsite Maßnahmen und Online Marketing beginnen. Für Website zentrierte Online Strategien und auf diesen Strategien basierende Kennzahlen, hat sich in den letzten zehn Jahren bereits eine Klassifikation von Strategie-Zielen herausgebildet, mittels der die jeweiligen taktischen Ziele und Kennzahlen in die online abgebildeten Funktionsbereiche des jeweiligen Betreibers strukturiert werden:[2]

  • Commerce (Analyse von Warenkörben, Conversions, Funnel und Umsätzen)
  • Customer Service (Analyse der Effizienz von Customer Support, Bereitstellung von Anleitungen, Treibern und typischer Problemlösungsmethoden mit Produkten)
  • Leadgenerierung (Analyse der Effektivität von Maßnahmen zur Qualifizierung und Weiterleitung von Leads)
  • Contenteffektivität (Vornehmlich im Bereich von Unternehmen, die eigene Umsätze aus Werbeschaltungen auf selbst produzierten oder eingekauften Inhalten erzielt)
  • Parallel hierzu wird die Effektivität von Online Marketingmaßnahmen jeweils im Bezug von Mitteleinsatz (Anzahl Werbemittel oder Kosten) zu Effektivität (Conversions d.h. Handlungen der Nutzer in einem der oben genannten Zielbereiche oder zumindest Akquise einer Eingangsmenge von Nutzern zu diesen Handlungsmöglichkeiten) gemessen.

Es scheint nicht sinnvoll, die Ziele von Strategien im Social Web zu nah an diesen vorhanden Ordnungen zu orientieren, da vor allem der e-Commerce und Marketing Bereich im Social Web von differenzierteren Taktiken geprägt ist und die klassischen Werbemodelle des Online Marketing aus Gründen der Nutzerakzeptanz oft nicht eins zu eins auf Angebote im Web 2.0 kopiert werden können. Es erscheint jedoch sinnvoll, das Modell der Conversions (oder besser der werthaften Handlungen von Nutzern) weiter zu verwenden und auch die möglichen Zielsetzungen der Leadgenerierung oder der Contenteffektivität in die Definition von Kennzahlenmodellen einzubeziehen.

Die Bereiche Commerce und Effektivität von Maßnahmen aus der obigen Aufzählung fließen in das sicherlich weiteste Feld der strategischen Ziele von Unternehmen im Bereich Social Media ein. Hier geht es im allgemeinen um eine Wertsteigerung, die versucht, einzelnen Handlungen oder Medien von Nutzern einen Wert für das Unternehmen zuzuordnen, Einsparungen zu erzielen und den Return on Invest zwischen den Kosten der Maßnahmen und diesen Werten sowie direkten Erlösen zu optimieren.

Im Contentbereich sprechen wir inzwischen nicht mehr nur von Medien, die von Unternehmen selbst erstellt werden (Owned Media = erstellt für die eigene Website) oder bei weiteren Anbietern eingekauft werden (Werbemittel = Bought Media). Hinzu kommen die verdienten Medien (Earned Media), die Unternehmen durch die Interaktion, Kommunikation, Uploads und Artikel von Internetnutzern erhalten, die sich mit ihrer Marke und ihren Produkten auseinandersetzen. Dieser neue Bereich von Medien muss durch ein vollständig neues Modell von Kennzahlen ergänzt werden, die in den verschiedensten Ansätzen die Rolle des aktiven und passiven Nutzer beschreiben und die jeweiligen Äußerungen, in Reichweite in Bezug auf ihre Tonalität, den Sentiment beschreiben zu versuchen. Die strategischen Ziele der Maßnahmen beziehen sich in Bezug auf diese drei Konzepte zumeist auf eine möglichst hohe Reichweite (evtl. in einem bestimmten Segment oder Zielgruppe), einen hohen Anteil positiver Äußerungen im Sentimentbereich. Auf die aktiven Nutzer bezogen, ist häufig die Identifikation und Beschreibung dieser Nutzer ein Ziel, um auf sie bezogene Handlungen oder Strategien überhaupt einleiten zu können.

Um das Netzwerkverhalten als eigentliches Asset innerhalb dieser verdienten Medien zu nutzen, werden häufig Ziele verfolgt wie

-        Die Identifikation möglichst gut vernetzter Nutzer

-        Eine hohe Empfehlungsquote unter diesen Nutzer

-        Ein möglichst hoher Wert als Einflussnehmer oder Experte oder als Zielgruppenmodell nicht nur für den einzelnen Nutzer  (dort abgedeckt), sondern auch innerhalb des Netzwerkes, das er erreicht, abzubilden

Auch der Begriff des Engagement, der für die Analyse von Onsite Content von Eric Peterson in seinem Blog ausformuliert und diskutiert wurde[3], sollte als mögliches Ziel in die Betrachtung miteinbezogen werden, da Engagement als sehr offenes Modell (das war einer der Hauptkritikpunkte) jegliche Form von Auseinandersetzung und Handlungsfolgen mit Online Assets beschreiben kann. Ein möglichst hohes Engagement oder einen möglichst hohen Anteil engagierter Nutzer anhand des zur Verfügung gestellten Contents oder allgemein innerhalb eines bestimmten Mediums zu erhalten, ist häufig ein Ziel, das mit detaillierter Beschreibung solcher Folgen von engagierten, werthaften Handlungen wie lesen, weiterleiten, nutzen, einbetten oder kommentieren usw. beschrieben und gemessen werden kann.

Eine Identifikation von Location ist für viele Unternehmen taktisches Ziel und Ausgangsbasis für weitere Handlungen. In diesem Bereich drehen sich die Methoden um die Identifikation geeigneter Orte und Kanäle für Initiativen, die verschiedenste Ausprägung (defensiv, kommunikativ, einbindend) haben können.

Ein Ziel von Social Media Initiativen ist sicherlich häufig die reine Verwendung von Assets in Sozialen Netzwerken als Mittel der Akquise. Bei dieser Form der eher taktischen Verwendung als Werbemittel für Onsite Abverkäufe oder Conversion werden die gleichen Kennzahlen wie für andere Online Marketing Kanäle verwendet, die eine eigene Gruppe von Zielen und Metriken bilden, aber keinen eigenständigen Wert der Medien beschreiben und daher hier nicht behandelt werden sollen.

Auch die Untersuchung der Marketing / Vertriebsmodelle Attention – Interest – Desire – Action die in Social Media eher durch das Modell Awareness – Activation – Conversation – Adocavy ersetzt werden könnten, sollen als messbares strategisches Ziel hier nicht betrachtet werden, obwohl die Einzelziele in der folgenden Kategorisierung von Kennzahlen abgebildet werden.


[1] A 2008 report by the Technology, Media and Telecommunications Industry Group of Deloitte Touche Tohmatsu noted that the Internet advertising industry has been criticized for poor research methods. Also, a survey conducted in Australia for the Australian Marketing Institute by research company Colmar Brunton in association with the University of New South Wales reported that, “…most senior executives are dissatisfied with the quality, timelines and depth of marketing metrics available to them.” — particularly with online media.

[2] Vgl. hierzu vor allem Sterne: Web Metrics. Wiley 2002

[3] http://blog.webanalyticsdemystified.com/weblog/2007/01/engagement-metric-defined-part-iv-in.html